“Draußen in der Welt halten die meisten Menschen den Blick nur auf die breiten Wege gerichtet, auf denen das deutsche Volk ins Verderben geführt wurde… . Aber neben den breiten Straßen laufen ungezählte schmale Wege; fast immer sind sie steil und steinig, oft führen sie dicht am Abgrund hin. Den Fußstapfen auf solchen Wegen bin ich nachgegangen. Ich hoffe, dass aus den unscheinbaren Wahrzeichen in Umrissen Bilder klar werden von jenem anderen Deutschland, an das die Welt kaum mehr zu glauben vermag.”
So beginnt Elly Heuss-Knapp 1946 ihr Erinnerungsbuch “Schmale Wege”. Drei Jahre später wurde ihr Mann Theodor Heuss der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland.
Die Tochter des bedeutenden Nationalökonom Georg Friedrich Knapp und einer kaukasischen Adligen, Großnichte des Chemikers Justus von Liebig, wird am 25.1.1881 in Straßburg geboren. Schon als junges Mädchen nimmt sie lebhaften Anteil an Frauenfragen und sozialen Problemen. Zu ihrem Freundeskreis gehören u.a. der Politiker Friedrich Naumann und Albert Schweitzer. Elly Knapp unterrichtet an einer Fortbildungsschule für Mädchen und arbeitet in der Armenpflege ihrer Heimatstadt, als sie mit 24 Jahren Theodor Heuss (geb. 1884 in Brackenheim, gest. 1963) im Hause Friedrich Naumanns kennen lernt. Bereits in ihrer Brautzeit mit Theodor Heuss ist sie entschlossen, keine “klassische Hausfrau” zu werden. Als junge Mutter engagiert sie sich in Vorträgen und Artikeln für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Frauen. 1910 verfasst sie eine “Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre für Frauen”.
Von 1912 bis 1918 lebt Elly Heuss-Knapp in Heilbronn, wo ihr Mann während dieser Jahre Chefredakteur der “Neckar-Zeitung” ist. Obwohl Elly Heuss-Knapp vorher erklärt hat: “Ich habe gar keine Lust auf Heilbronn”, wird sie in den sechs Jahren zur Heilbronnerin. In ihren Erinnerungen schreibt sie später: “Den Kiliansturm täglich zu sehen, war eine immer neue Freude.” Und Theodor Heuss bekennt: “Meine Frau ist innerlich, seelisch, mit Heilbronn zusammengewachsen. Sie ist auch die erste Frau in Deutschland gewesen, die für die Kriegsfrauen etwas getan hat.”
Elly Heuss-Knapp baut in diesen schweren Jahren des Ersten Weltkrieges in Heilbronn eine Arbeitsbeschaffungstelle für Kriegerwitwen auf, die 900 Frauen Arbeit gibt. Sie nimmt Aufträge für Heereslieferungen an, die von den Frauen in Heimarbeit ausgeführt werden können. Und sie hält Vorträge, schreibt Artikel und Bücher. Ihr Wirken strahlt weit über Heilbronn hinaus.
Als ihr Mann unter der nationalsozialistischen Diktatur Schreibverbot erhält, wird sie in den dunklen Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Werbeberaterin die Ernährerin der Familie. Ihre Auftraggeber sind Unternehmen wie Persil, Nivea, Bosch, Bleyle, AEG, Henkell (Sekt)…
Sofort nach dem Zusammenbruch 1945 nimmt sie als Landtagsabgeordnete in Stuttgart die politische Arbeit wieder auf (1946-1949), die ihre Krönung in der Verwirklichung eines schon seit Jahren verfolgten Planes findet: Im Jahre 1950 vereint sie die verschiedenen Frauenverbände zum “Deutschen Müttergenesungswerk”, das in enger Verbindung mit der “Elly Heuss-Knapp-Stiftung” erholungsbedürftigen Müttern in gepflegten Heimen Entspannung bietet.
Sie starb 1952 in Bonn.
Die Stadt Heilbronn dankte Elly Heuss-Knapp und benannte 1973 ein Gymnasium nach dieser bemerkenswerten Frau.